Theorie


書は、一種の抽象芸術でありながら、その背景にある肉体性がつよく、文字の持つ意味と純粋造形の芸術性がからみ合って、不可分のようにも見え、又全然相関係がないようにも見え、不即不離の微妙な意味を感じさせる。
書を見れば誰でもその書かれた文字の意味を知ろうとするが、それと同時に意味などはどうでもよい書のアラベスクの美に心を引かれる。
このように書の位置する場が一種特別な、両棲動物的な、不気味なものに見えるのは、書の実用性と芸術性との極度の密着から来るのであろうから、文字の意味の分からない異国人にとってはその芸術性の方だけが純粋に観賞出来るわけになる。

- 高村光太郎、『書の深淵』より

Kalligraphie ist zwar eine abstrakte Kunst, doch sie besitzt einen konkreten, fassbaren Hintergrund. Die Bedeutung der Wörter und die Ästhetik der reinen Gestaltung verzwirnen sich und scheinen einmal gleichsam untrennbar, dann wieder vollkommen zusammenhanglos; die Kalligraphie gibt einem das Gefühl einer eigenartigen Bedeutsamkeit, die weder das eine noch das andere ist. 

Jeder, der Kalligraphie betrachtet, versucht den Sinn der Zeichen zu verstehen, doch gleichzeitig weckt die Schönheit der kalligraphischen Arabesken, frei von Bedeutung, das Interesse.

Und so scheint uns die Stellung, die wir der Kalligraphie zuweisen, als etwas besonderes, amphibisches, unheimliches; das mag von der engen Verbindung herrühren, die praktische Anwendbarkeit und Kunst in der Kalligraphie eingehen. Das bedeutet wiederum, dass der schriftunkundige Ausländer ausschließlich ihren gestalterischen Gehalt in Reinform bewundern kann.

aus: Takamura, Kōtarō: „Die Tiefen der Kalligraphie“ (orig. „Sho no Shinen“)




Das Zitat des japanischen Dichters Takamura befasst sich mit einem der häufigsten Gedanken, der einen beim Betrachten kalligraphischer Werke beinahe zwangsläufig kommt: Was steht da geschrieben? Und: Ist es wichtig für das Werk? 
Anders formuliert: Bedeutung und Ästhetik, sind diese beiden miteinander „verzwirnt“? 

Der feierliche Stil der Sutren, abgefasst in goldenen Lettern, oder das Fließen der Zeichen alter Gedichtanthologien scheinen wenigstens einen Zusammenhang zum Genre des Textes zu zeigen. Denn das eine ist geradezu die Verkörperung der Heiligkeit der Texte, das andere erscheint als poetische Eleganz der Sprache, Ausdruck ihres Rhythmus. 

Und tatsächlich existiert mit der Gattung des Bokuseki, der Tuschespuren, ein eigenes Genre, das großen Wert auf den Ausdruck der Person des Schreibenden in seinem Werk legt, frei von Konvention. In ihrem höchsten Ziel jedoch deutet diese Art des Schreibens über sich hinaus: der Erkenntnis und Erleuchtung sind die Übungen des Buddhismus verpflichtet.

Doch  eine Betrachtung jenseits der Genregrenzen zeigt auch andere Aspekte auf. Müsste es nicht zu klischeehaften Formen führen, stimmte man die Gestaltung der Zeichen stets direkt auf den Gehalt des Textes ab, zu einer langweiligen, vorhersehbaren Ästhetik? In der überwiegenden Mehrheit der Fälle ist dies nicht die Inspiration des Kalligraphen, ein anderer Begriff bestimmt diese Kunst auch heute noch in viel stärkerem Maße: 
Tradition. 

Die Tradition setzt den Standard für die Schriftkunst. 
Die chinesische Schrift ist das älteste noch verwendete Schriftsystem der Welt, und ist die Mutter des japanischen Schriftsystems. Im Unterschied zur stark abstrahierten Alphabetschrift hat sich diese Schrift einen starken bildlichen Charakter bewahrt, der ihre piktographische Herkunft noch heute verrät. Die einzelnen Zeichen tragen dazu eine Bedeutung, oft eine Vielzahl über ihre Geschichte angesammelte semantische Schichten. Diese Schrift ist das Material der Kalligraphie.

Als Beschäftigung einer Elite aus Beamten und Adligen avancierte die Schriftkunst zur am höchsten angesehen Kunst. Die kalligraphiebegeisterten Kenner und Sammler verglichen die Werke, kopierten sie, ordneten sie zu Anthologien, und so kamen die alten Meister auf uns. Von manchem berühmten Kalligraphen sind uns sogar nur Kopien bekannt. 

Schrift, letztlich auch eine Form der Tradition, setzt den Rahmen der Schriftkunst, und wie die Fähigkeit zu Schreiben nur durch Kopieren erworben werden kann, so verhält es sich auch mit der Schriftkunst. Kunst zu schaffen hieß also, die Grenzen des bloßen Kopierens zu überschreiten. In Ostasien hat die Kopie als Nachweis herausragenden Handwerks gegolten, doch wohl nie als Kunstwerk. In ihrer Kunstsicht war diese Kultur unserem heutigen Denken wohl verwandt. Eine Grenze kann die Kalligraphie aber nicht überschreiten, und das ist jene der Schriftlichkeit, die ihren Wesenskern ausmacht. Die Kurzzeichen zahlreicher Werke mögen heutigen, gebildeten Japanern oder Chinesen oft unlesbar erscheinen, doch die damaligen Betrachter konnten sie zumeist lesen oder zumindest entziffern.

Man könnte also meinen, die Herausforderung eines heutigen Kalligraphen liege darin, einen neuen Ausdruck zu finden, der an die Tradition anknüpft. Die japanische Moderne bringt aber auch andere Ideen und Konzepte dieser Kunst hervor, darunter auch Strömungen, die sich keiner Form verpflichtet fühlen, oder solche, die die überkommene Ästhetik im Rückgriff auf archaische Zeichentraditionen neu zu denken versuchen. 

Die meisten Kalligraphen studierten die klassischen Formen, um ihre technische Könnerschaft zu erwerben. Daraus kann man das Argument ableiten, Kalligraphie sei ohne Tradition folglich nicht vorstellbar. Andererseits kann diese Überlegung im Hinblick auf das einzelne Werk kaum überzeugen. Denn die Berührung mit der Malerei und dem Industrie-Design ist für eine so modern konzipierte Kalligraphie unvermeidlich, deren Konturen zwischen verschiedenen Kategorien verschwimmt. 

Der Gedanke des Fortkommens und Entdeckens neuer Regionen der Gestaltung führten diese Avantgarde auch an diese letzte Grenze der Kalligraphie: Die Schriftlichkeit. Mit deren Überschreiten ging diese Form in die abstrakte Kunst über, die in den sechziger und siebziger Jahren ihre große Blüte im Westen erlebte. Auch unveränderte Grundlagen der Kalligraphie, Papier, Pinsel, Tusche, waren ihr nichts Verbindliches mehr. Versucht man diese neue Freiheit beschreibend einzufangen, erscheinen diese Werke als verschiedene Abstufungen der Kategorien, denen sie verwandt sind. Mal tritt die Malerei, mal das literarische Konzept stärker in den Vordergrund. Werke, die nur vage an die alte Ästhetik der Kalligraphie erinnern, wechseln sich ab mit solchen, die die Klassiker zerstreuen und in anderem Kontext neu arrangieren. 


Ein Besuch in einer kalligraphischen Ausstellung in unserer Zeit offenbart diese Spektren der Schriftkunst. Die Tradition kann aber keine Form der Kalligraphie hinter sich lassen: selbst im negativen Bezug auf sie muss sich ein Stück ihrer Ästhetik erhalten. Denn sonst verlöre das Werk einen der beiden Fäden, die in dieser Kunst miteinander verzwirnt sind: Bedeutung und Ästhetik.  

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